Letzten Montag in der Trierer Fußgängerzone. Keine Plakate. Kein Lärm. Keine Aufregung. Nur eine kleine, ruhige Menschentraube. Ich nahm sie erst wahr, als ich beinahe schon vorbeigegangen war. Doch da löste sich ein Paar aus der Runde, und ich erhaschte einen Blick in die Mitte. Drei Leute, zwei vielleicht Anfang zwanzig, dazu ein Älterer mit grauem Haar knieten auf dem Pflaster, eine Bürste in der Hand, ein Eimer an ihrer Seite. Ich wurde neugierig und trat näher.
Bereitwillig nahmen mich die Umstehenden in ihren Kreis auf. Aufmerksam, fast andächtig verfolgten sie das Tun in ihrer Mitte. Jetzt stand der Ältere auf und nahm einen Lappen und eine Tube aus einer Tasche. Er trug eine Paste auf den Lappen auf, ließ sich wieder nieder auf die Knie und wischte mit dem Lappen über den Boden. Dann reichte er Tuch und Paste weiter. Ich schaute in die Gesichter der Umstehenden. Ernst verfolgten sie die Arbeit. Anders als ich schienen sie den Sinn der Aktion zu kennen.
Dann machten die Drei eine Pause. Der Ältere sprach mit ein paar Frauen und Männern aus dem Kreis, sie kannten sich wohl. Die beiden Jüngeren standen ein wenig abseits. Ein Passant, der wie ich nicht wusste, was vor sich ging, trat zu ihnen und fragte, was sie da machen. „Wir putzen die Stolpersteine“, hörte ich einen der jungen Leute sagen. „Sie putzen die Stolpersteine?!“ „Ja, sie sind matt geworden. Sie fallen kaum noch auf. Darum haben wir uns verabredet, sie heute zu reinigen.“ Der Passant nickte verstehend. Dann sagte er: „Sie wollen uns darüber belehren, was damals in Deutschland geschehen ist!“ Irritiert sah der junge Mann ihn an. „Ich will den Opfern sagen, dass ihr Leid nicht vergessen ist. Ich möchte, dass ihre Klage nicht verstummt.“ Und dann fügte er noch hinzu: „Kein Opfer soll in Vergessenheit geraten.“
Der Grauhaarige kam mit ein paar sauberen Tüchern und drückte sie den jungen Leuten in die Hand. Dann knieten die Drei sich wieder hin und polierten die Paste von den Stolpersteinen. Langsam begannen die Steine zu glänzen. Nach getaner Arbeit hielten die Drei inne und legten noch eine Rose auf das Pflaster. Als sie ihre Tasche und den Eimer nahmen, gingen wir auseinander. Still. Leise. Nachdenklich. Letzten Montag in der Trierer Fußgängerzone. „Kein Opfer soll in Vergessenheit geraten!“
Stefanie Eckes-Steuckart, Pfarrerin im Schuldienst des Kirchenkreises Obere Nahe